Ein körperlicher Ausfall.

Sehr selten kommt es vor, doch auch wir werden auf unserer Reise ab und an krank. Mal ein Schnupfen, mal ein bisschen Fieber (meist bei Romy), mal ein bisschen Halskratzen. Nichts ernstes,  gesamtheitlich betrachtet sogar deutlich weniger als im „normalen“ Alltag im Haus. Leider gibt es keine Garantie, dass man so völlig ohne schwerere Erkrankung durch eine Langzeitreise kommt. Und es passierte ausgerechnet in der Coronazeit das, was passieren musste.

Ich (André) bin nicht getestet worden, aus welchen Gründen das nicht passierte, möchte ich im Verlauf des Artikels beschreiben. Aber ich bin mir sicher: es war Corona.

Vollkommen klar, das ist heutzutage nichts besonderes, wahrscheinlich kennst auch Du jemanden, der es bereits hatte oder gerade infiziert ist. Vielleicht ist es aber mal ganz interessant zu lesen, wie wir diese Situation gemeistert haben, war sie doch irgendwie auch eine weitere „Prüfung“ auf unserer Reise. Im Artikel Corona – die ganze Geschichte unseres Reisechaos habe ich euch ja schon beschrieben, wie wir schlussendlich einen sicheren Ort in der Türkei erreicht haben, um die damals schwierigste Phase der Pandemie abzuwarten.

Das nächste geplante Ziel sollten wir nicht mehr erreichen.

Nach ziemlich exakt zwei Monaten des Wartens konnten wir die Türkei dann in einem kleinen Zeitfenster der offenen Grenzen Richtung Deutschland verlassen. Auf dem Weg dorthin haben wir unter anderem in Serbien tolle Landschaften sehen können und uns so ein wenig vom unerwarteten Ende der Reise in die Mongolei abgelenkt.

In Österreich trafen wir endlich unsere Reisefreunde Thomas & Louise mit ihrem Sohn Felix wieder. Wir verbrachten eine tolle, entspannte Woche an einem Kloster in Bayern, wo die drei eine Ferienwohnung hatten. Das nächste Ziel sollte dann ein Treffen mit Familie Schmitt von „hippie-trail.de“ werden. Dazu kam es aber nicht mehr.

Wasserfall in Schweden

Menschen sind wir sonst nicht begegnet.

Krankheitsanzeichen?

Ihr kennt es sicherlich auch: irgendwie merkt man, dass man krank wird. Bei mir war es genauso, kurz vor der geplanten Abfahrt aus dem Kloster, bemerkte ich ein leichtes Fiebergefühl und hatte ein kleines bisschen Kopfschmerzen. Nur das, keine Halsschmerzen, kein Husten, keine laufende Nase. Und auch da werdet ihr mir zustimmen: das schiebt man meist einfach beiseite, kann ja alles mögliche sein, morgen wird’s schon vorbeigehen. Auch ich schob es auf die Sonne, zu wenig getrunken, zu viel Action mit den Kindern. Es ging es leider nicht vorüber. Der Abreisetag war da, wir verabschiedeten uns. Noch konnte ich fahren, das blieb aber nicht mehr lange so. Schon beim zweiten Übernachtungsplatz angekommen wurde mir klar, dass es nicht so schnell vorbei sein würde. Das Fieber stieg unaufhörlich, eine wahnsinnige Müdigkeit setzte ein und die anfangs noch sehr leichten Kopfschmerzen wurden langsam unerträglich.

Ab da begann ich zu überlegen, ob es Corona sein könnte. 

Doch woher? Unser Reisealltag zeichnet sich nicht gerade dadurch aus, ständig von Menschen umgeben zu sein. Unsere Freunde? Hatten keine Symptome, waren offensichtlich kerngesund. Der Besuch eines Restaurants in Österreich? Könnte sein. Dort saß jemand mit starkem Husten. Selbiger war allerdings alles andere als trocken. Und vor allem saßen wir draussen und hatten genug Abstand zu dem Herrn (trotzdem hätte er gerne zu Hause bleiben können). Tankstellenpersonal? Eigentlich die einzige Möglichkeit. Vielen Menschen sind wir sonst nicht begegnet, auch von der Zeit, grob zurückgerechnet, könnte es sein. Eine Maskenpflicht gab es da (im Juni) in Österreich auch nicht. 

Laster in Schweden
Hochplateau in Schweden

Die Kopfschmerzen wurden noch stärker. Das Fieber auch. Aber langsam, nicht so plötzlich wie bei einer echten Grippe. Hab ich jedenfalls gelesen, dass es da schnell ansteigen soll, ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal eine so schwere Grippe hatte. Die Temperatur pendelte sich bei 38.7 – 39.7 Grad ein und ich fühlte mich zunehmend schwächer. An eine Weiterfahrt war nicht zu denken, erst recht nicht an einen Besuch bei Michi & Thorben mit den Kindern. Erstens um das Risiko auszuschliessen, zweitens ging es alleine von der Kraft und Konzentration auch gar nicht, den Laster zu bewegen.

Und so siechte ich dahin. Tag um Tag. Das Atmen wurde mit jedem Tag schwieriger. Das Fieber bleib auf konstant hohem Niveau. Da ich Medikamente so lange als möglich verweigere, sind auch die Kopfschmerzen nicht besser geworden. Erst als an Schlaf nicht mehr zu denken war, warf ich eine Ibuprofen 400 ein. Nicht um das Fieber zu senken, ausschliesslich wegen der Schmerzen. Durch die Atemprobleme, die sich nach etwa 7 Tagen bemerkbar machten, wurde ich mir auch immer sicherer, dass es Corona sein könnte. 

Und so siechte ich dahin.

Und das war auch das große Problem. Die Familie vor einer Ansteckung schützen? Sehr wahrscheinlich schon zu spät. Ins Krankenhaus fahren, um mich testen zu lassen? Ich konnte keinen Sinn darin sehen. Was wäre denn passiert? Hätte ich Corona gehabt, wären wir alle in Quarantäne gekommen. Für den Hund wäre niemand mehr da gewesen, es wäre auch nicht erlaubt gewesen, mit ihr Gassi zu gehen. Ich wäre wohl im Krankenhaus behandelt worden, weil ich ziemlich schlecht Luft bekam. Das war keine Option für uns, wenn es sich verhindern ließ. Wir standen ziemlich abseits alleine auf einem Parkplatz mit angeschlossenem Spielplatz, Menschenkontakt gab es nicht. Also warteten wir.

suche nach Rentieren
Auf der Suche

Ein Plan und schlimme Nächte

Wir legten uns trotzdem einen Plan zurecht, für den Fall dass es doch keine andere Lösung gäbe: Angi & Romy wären von Thorben (hippie-trail.de) mit dem Laster weggefahren worden, denn weit entfernt waren wir nicht voneinander. Und ich wäre irgendwie alleine ins Krankenhaus gefahren. Glücklicherweise mussten wir diese Option nicht in Anspruch nehmen.

Die Nächte waren das Schlimmste. Ich schwitzte pro Nacht mehrere Bettbezüge komplett durch, von den Klamotten ganz zu schweigen. Die Luftnot war mehrere Male so schlimm, dass ich von einem Erstickungsgefühl geweckt wurde. Es war, als würde ich ertrinken. Schmerzen im Brustkorb und der Lunge waren deutlich zu spüren. Das Atmen wurde durch eine unsichtbare Hand, die das Herz zudrückt und zugleich mit einem gewaltigen Gewicht auf dem Brustkorb lehnt, beinahe unterbunden. Wir konnten gar nicht so viel lüften, wie mein Körper nach Frischluft verlangte. In der Hochphase lehnte ich mich aus dem Fenster, um genug Sauerstoff zu bekommen. Es hat nur ganz wenig gefehlt, mich doch im Krankenhaus behandeln zu lassen.

Angi kümmerte sich so gut es eben ging um uns alle gleichzeitig. Essen konnte ich indes nichts, nur trinken war mir wichtig, da ich durch das Schwitzen so extrem viel Flüssigkeit verlor. Also gab es täglich mehrere Tassen mit Bouillon, Tee und Wasser. Interessanterweise verlangte der Körper nach (Obst)säure, so schaufelte ich massenweise Weintrauben und Colakracher (die kennst du doch noch?) in mich hinein. An Medikamenten waren zwei weitere Male die Ibuprofen 400 nötig, um die Kopfschmerzen wenigstens kurz aufzuhalten. Mehr nahm ich nicht und das hat sich für mich auch richtig angefühlt. Ich bin ein großer Freund davon, Fieber wirken zu lassen. Ganz besonders bei dieser Krankheit. Es ist das einzige was der Körper auf Lager hat, sich ungebetener Gäste zu erwehren.

Aufgrund der Atemprobleme fing ich an, meine Atemfrequenz und meinen Puls zu beobachten. Während der Puls nur relativ leicht erhöht war, war die Atemfrequenz schon deutlich zu hoch. Doch waren das die einzigen beiden Mittel die ich hatte, um zu beurteilen ob es doch Zeit für das Krankenhaus wird.

Besserung in Sicht

Das Internet wurde während meiner kurzen Wachphasen nach allem was ich zum Thema finden konnte durchsucht. Daher wusste ich auch, in welchem Bereich die Atemfrequenz liegen sollte, meinen Pulsbereich kannte ich durch mein Lauftraining sehr gut. Ich lernte, dass es bei mittelschweren Verläufen oft nach etwa 10 Tagen besser wird, sollte das nicht der Fall sein, muss man umgehend in ärztliche Behandlung. 

Pünktlich nach 9 Tagen wurden meine Symptome endlich besser. Das Fieber sank etwas, vor allem aber waren die Kopfschmerzen weg. Auch das Atmen wurde etwas besser. Ich begann, wenigstens einmal am Tag kurz vor die Tür zu gehen und ein paar Schritte zu laufen. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so erschöpft gefühlt. Die Beine waren komplett kraftlos, jeder Schritt brachte meinen Puls und meine Atmung zum rasen. Es tat aber dennoch gut, wenigstens kurze Zeit an der frischen Luft sein zu können und nicht mehr nur liegen zu müssen.

Stetig ging es aufwärts, nach drei weiteren Tagen des Ausruhens war ich endlich in der Lage, den Laster wieder zu bewegen. Wir konnten uns auf den Weg nach Norddeutschland machen, wo wir bei Freunden einige Zeit auf dem Grundstück stehen durften. Was mich da besonders überraschte:  Ich benötigte noch 3 weitere Wochen, um halbwegs normal spazieren gehen zu können. Die ersten Tage war ich so fertig, dass ich nach 30min Spaziergang erst einmal anderthalb Stunden schlafen musste.

Eins noch: Ich weiss, dass ich teils unverantwortlich gehandelt habe. Angi & Romy haben nichts abbekommen, jedenfalls nicht offensichtlich. Wir haben jeglichen Kontakt verhindert, uns quasi selbst in LKW Quarantäne begeben, sobald uns klar war, dass es Corona sein könnte. Auch haben wir uns sehr genau ausgerechnet, wann wir wieder „unter Leute“ konnten und somit nach Norddeutschland zu unseren Freunden. Natürlich wäre nach abklingen der Symptome nochmals 14 Tage Isolation angesagt gewesen. Haben wir aber nicht gemacht. Wir haben einfach Abstand gehalten, wie wir es sowieso fast immer machen. Und wo nötig, sind sowieso noch besondere Regeln eingeführt worden, etwa die Maske beim Einkauf.

Wenn du unseren Artikel Corona-Gedanken gelesen hast, fragst du dich vielleicht, ob ich mittlerweile meine Meinung geändert habe oder anders darüber denke. Ich habe, auch wenn ich keine gesicherte Diagnose zu Corona erhalten habe, eine klare Antwort: Nein. Weder hat sich meine Meinung geändert, noch würde ich den Artikel großartig anders schreiben. Selbstredend würde ich mich in Nuancen etwas anders ausdrücken, mit heutigem Wissen wahrscheinlich auch etwas anders argumentieren.

Aber grundsätzlich bleibe ich bei meiner Meinung, auch wenn es eine der beschissensten Zeiten meines Lebens war: JA, das Virus ist gefährlich und darf nicht verharmlost und auf die leichte Schulter genommen werden. ABER: Panik, unkontrolliertes Handeln, Angst; das alles ist hier vollkommen fehl am Platze.

Ich wünsche mir, dass wir alle das Ding akzeptieren wie es ist und besonnen handeln. Mit gesundem Menschenverstand und unter Beachtung der Wissenschaften. Nicht einzelner Wissenschaftler (!)

2 Kommentare

  1. Angela und Torsten

    Beeindruckender Bericht!
    Schön, dass ihr weiterhin reisen könnt!

    Grüße von Angela und Torsten
    (Monemvasia 2020…)

    Antworten
    • andre

      Vielen Dank ihr zwei! Und total schön, von euch zu hören, wir hoffen euch geht’s soweit gut!

      Antworten

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